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Weiche Macht |
// Datum: 25. Septmeber 2008
// Zeit: 20:00
Podiumsdiskussion über Kultur und Gemeinschaft mit:
Jens Badura, Philosoph, Herausgeber der transversale;
Marianne Eigenheer, Künstlerin, Direktorin des Institute for Curatorship and Education;
Andreas Fanizadeh, Publizist, Ressortleiter Kultur bei der taz;
Bernd Hüppauf, Literaturtheoretiker, Professor an der New York University;
Krystian Woznicki, Gründer von berlinergazette.de
Kultur im Kommunismus, Kultur bei Anden-Völkern oder Kultur im Mode-Kosmos: Immer wieder stiftet Kultur Gemeinschaft. Doch hat die Formel „Kultur stiftet Gemeinschaft“ lediglich eine ideologische, ethnische oder konsum-kapitalistische Dimension? Gibt es einen anderen Begriff von Kultur, der in Folge dessen eine andere emazipative Form von Gemeinschaft stiftet? Eigentlich liegt es auf der Hand: Kultur ist mehr als das Vehikel einer politischen Propaganda-Maschine, mehr als der authentische Fußabdruck eines Volkes, mehr als Produkt einer gigantischen, weltumspannenden Industrie. Aber wie lässt sich dieses „Mehr“ fassen? Der Kulturtheoretiker Werner Hamacher behauptet: „Kultur ist immer nur das, was über jede bekannte Kultur hinausgeht“. In diesem Sinne ließe sich Kultur als ein Zwischenraum begreifen, als ein Ort des Wandels. Die Kultur der Veränderung und die Veränderung der Kultur stehen heute im Zeichen von Konflikt und Kampf, Differenz und Dissonanz. Kultur, das ist ein Werden und Kommen und ein Vielleicht.
Kultur steht demnach nicht nur für Verbindungen, sondern auch gleichzeitig für Entbindungen, Trennungen, Dissoziationen. Entsprechend dieser doppelten Bewegung sollte sie als das im Entstehen begriffene verstanden werden: das Unveröffentlichte, Ungesicherte und Unbekannte. Erlangt Kultur in dieser Eigenschaft eine neue unerhörte Relevanz? Zumal sie in der Globalisierungstheorie neben dem Ökonomie-, Politik- und NGO-Sektor als vierte Macht gilt, und die in der Theorie der internationalen Beziehungen als Soft Power bezeichnet wird? Ist das noch Unveröffentlichte, Unetablierte und Ungesicherte ihr gemeinsamer Nenner? Jener Nenner, der jedwede emanzipative Form von Gemeinschaft stiften könnte? Wie sollte die Frage nach dem Gemeinsamen der Kultur beziehungsweise nach der Kultur als Gemeinsamen gestellt werden? Kommt darin der Ruf nach Vielfalt (Multikultur) zum Tragen? Oder gerade das Gegenteil – die Sehnsucht nach Leitkultur?
Vor diesem zugleich vielschichtigen und provokanten Hintergrund hat die Berliner Gazette Intellektuelle unterschiedlichster Provenienz eingeladen. Im Schatten diverser Kulturdebatten initiieren sie Projekte im Spannungsfeld zwischen Literatur und Kunst, Philosophie und Aktivismus, Journalismus und Forschung: Bücher, Zeitungen, Magazine, Kunstwerke, Ausstellungen, Konferenzen, uvm. Es sind die Erfahrungswerte dieser nicht zuletzt internationalen und interkulturellen Vorhaben, die sie in eine Diskussion einbringen, welche das Gemeinsame der Kultur und die Kultur des Gemeinsamen auf den Prüfstand stellt.
Die von der Berliner Gazette konzipierte Podiumsdiskussion „Weiche Macht“ ist nach „Unser Berlin“, „Wir-Maschine '68“ und „Gemeinschaftspraxis“ die vierte Veranstaltung im Rahmen des Berliner Gazette-Jahresschwerpunkts „minimum – die Suche nach dem Gemeinsamen“. Die bisher erschienen Beiträge finden sich hier: > www.berlinergazette.de/index.php?pagePos=10&keyword=minimum
Referenten:
Jens Badura wurde in Mainz geboren und lebt heute in Daoulas und Paris. Von 2003 bis 2005 war er Post-Doc in dem von der VolkswagenStiftung finanzierten Projekt „Kontingenz und Moderne“, danach „Maître de conférence invité“ an der Universität Paris 8 (Vincennes -St. Denis). Er unterrichtet Philosophie an den Universitäten in Deutschland, Österreich und Frankreich und ist Mitglied unterschiedlicher Forschungsgruppen. Außerdem ist er Geschäftsführer von Durchdenker (durchdenker.de) und Mitherausgeber der „transversale – Erkundungen in Kunst und Wissenschaft“. Zuletzt gab er den Band „Mondalisierungen“ (2006) heraus. Seine Habilitationsschrift „Mondiale Modernitäten“ erscheint im Passagen Verlag. > www.transversale.org
Marianne Eigenheer wurde in Luzern, Schweiz, geboren und lebt heute in Basel und London. Nach einem MA in Kunst in den 1970er Jahren absolvierte sie ein Studium der Kunstgeschichte und Psychologie in Zürich. Seit 1974 tritt sie in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen als Künstlerin in Erscheinung. Ihre Laufbahn als Professorin begann sie in den 1990er Jahren. Heute ist sie Direktorin des Institute for Curatorship and Education am Edinburgh College of Art. Zuletzt erschien von ihr die Anthologie „Curating Critique“ (2008). > www.eca.ac.uk/ice
Andreas Fanizadeh wurde in St. Johann, Österreich, geboren und lebt heute in Berlin. Er studierte in Frankfurt am Main Politik- und Literaturwissenschaften. In den 1990er Jahren war er Lektor in der Edition ID Archiv (später ID Verlag), wo zahlreiche Schlüsseltexte aus dem Spannungsfeld aktivistische Subkultur, Pop- und politische Theorie erschienen. Bevor er im Jahre 2000 Redakteur im Auslandsressort der Schweizer WoZ wurde, gab er die Zeitschrift Die Beute heraus. Seit Oktober 2007 leitet er bei der taz das Ressort Kultur. Neben seiner publizistischen Arbeit ist er als freier Kurator tätig. Zuletzt erschien von ihm die Anthologie „Chile International. Kunst, Existenz, Multitude“ (2005). > www.taz.de
Bernd Hüppauf wurde in Waldenburg, Schlesien, geboren und lebt heute in New York und Berlin. Sein Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte absolvierte er in Würzburg, Göttingen und Tübingen; Hochschullehre in Tübingen, Regensburg, Berlin, Sydney. Seit 1993 Professor of German an der NYU; bis 2003 Leitung des Deutschen Hauses der NYU. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören Bilder von Gewalt und Krieg in Fotografie und Literatur. Zahlreiche Publikationen zur Kultur und Mentalitätsgeschichte der Moderne. Zuletzt gab er mit Peter Weingart „Science Images and Popular Images of the Sciences“, deutsch: „Frosch und Frankenstein" (2008) heraus. Nächstes Jahr erscheint „Der Mensch im Frosch. Bilder von Frosch und Kröte in Magie, Literatur und Wissenschaft.“ > www.huppauf.de
Moderator: Krystian Woznicki wurde in Glatz, Schlesien, geboren und lebt heute in Berlin. Der Kulturkritiker arbeitete in den 1990ern als Kolumnist der Japan Times und als Korrespondent der Spex in Tokio. In den letzten Jahren hat er einige Sammelbände (mit-)herausgegeben und ist heute Chefredakteur der Berliner Gazette (berlinergazette.de). März diesen Jahres ist im Kadmos Verlag seine Debüt- Publikation als Autor erschienen: „Abschalten. Paradiesproduktion, Massentourismus und Globalisierung“. Als Initiator von Kulturprojekten (Filmprogramme, Ausstellungen, Symposien) arbeitete er u.a. in Japan, Mexiko und Belgien. > www.berlinergazette.de
Kuratorium: Die Berliner Gazette (berlinergazette.de) wurde im Jahre 1999 als digitales Mini- Feuilleton ins Leben gerufen und wird von einem gemeinnützigen Verein getragen, deren Mitglieder die Macher des Mediums sind. „Interaktivität“, „Partizipation“, „Netzwerk“ und „Gemeinschaft“ („Community“) zählen zu den zentralen Leitgedanken dieses publizistischen Projekts. Allerdings nicht als kommerzielle Slogans, sondern als soziale Wirklichkeit. 2008 befragt die Berliner Gazette über 50 Intellektuelle aus der ganzen Welt zu der Suche nach dem „Gemeinsamen“. Protokolle dieser Interviews erscheinen auf der Webseite der Berliner Gazette unter dem Stichwort „minimum“. Die Veranstaltungen, die diesen Schwerpunkt begleiten, bringen Interview-Partner aus unterschiedlichen Arbeitsgebieten und Ländern an einen Tisch. > www.berlinergazette.de
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> September 25, 2008
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