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SCREENING IN GENERAL#14 Close Up:Passing the Rainbow |
/ / Datum: Montag, 07. Dezember 2009
/ / Zeit: 20 Uhr Kommentar mit Filmausschnitten
/ / 21 Uhr Screening Passing the Rainbow (71 min)
Film-Protagonistinnen: Aiqela Rezale, Roya Fahim, Hamida Refah, Zobaida Sahar, Saba Sahar, Breshna Bahar, Malek_a, Sakina Habib-zada, Marina Golbahari, Nilab, Razi Mohebi, Khaleda Forogh.
Die vierzehnte Ausgabe von SCREENING IN GENERAL beginnt mit einer Themenaufnahme in Form eines dem Screening vorgelagerten Kommentars zu Produktion und Kontexten des Films Passing the Rainbow (71 min, 2007) von und mit Sandra Schäfer und Elfe Brandenburger.
General Public: Eure film Passing the Rainbow ist ein Film über das Filmemachen in Afghanistan. Er ist eingebettet in alltäglich städtisches Leben, politischen Aktivismus und Frauenrechte in Kabul. In diesem Zusammenhang hattet Ihr an anderem Ort über Filme gesprochen, die thematisch wesentlich für Euch waren. Was sind das für Filme und was habt Ihr in ihnen für die Produktion Eures Films gefunden?
SANDRA SCHÄFER, ELFE BRANDENBURGER: Der Film Close Up von Abbas Kiarostami hat sehr grossen Einfluss auf uns ausgeübt. In diesem Film gibt sich ein Kino-Liebhaber als der berühmte iranische Regisseur Mohsen Makhmalbaf aus. Der Schwindel fliegt auf und er wird schliesslich wegen Betrugs verhaftet. Kiarostami filmt die Gerichtsverhandlungen und verschränkt die dokumentarischen Aufnahmen der Verhandlung mit reinszenierten Spielfilmszenen, in denen die Beteiligten sich selbst spielen. Diese Verschränkung von Realität und Fiktion, die in Close Up auf vielen verschiedenen Ebenen stattfindet, hat unsere Arbeit im Umgang mit Dokumentar- und Spielfilmszenen sowie Making of-Aufnahmen entscheidend beeinflusst. Ausserdem macht Kiarostami den fragilen Prozess der Dreharbeiten sichtbar, inklusive seiner eigenen Rolle darin. Hierauf referiert eine Szene in Passing the Rainbow, in der uns eine der Protagonist_innen Anweisungen erteilt, wie wir uns verhalten sollen, um in ihrer Schule gemeinsam mit ihr drehen zu können, ohne dass sie Probleme bekommt. Hierdurch wird deutlich, welche Wirkung unsere Kooperation in ihrem sozialen Umfeld hat.
Passing the Rainbow wäre jedoch nie gedreht worden, wenn ich (Sandra Schäfer) im November 2002 nicht an den Dreharbeiten des Spielfilms Osama von Siddiq Barmak teilgenommen hätte. Osama ist der erste afghanische Spielfilm, der nach dem Sturz des Taliban-Regimes gedreht wurde. Am ersten Drehtag wurde die Rekonstruktion einer Demonstration von Frauen gegen die Einführung des Arbeitsverbots für Frauen durch das Taliban-Regime gedreht. Über 1.000 Frauen waren gekommen, um dabei als Statistinnen mitzuspielen. Mit einer so großen Teilnehmer_innenzahl hatte niemand gerechnet. Das Demonstrieren wurde geübt und der Produktionsassistent feuerte die Darstellerinnen an, sich an ihre Erlebnisse aus der jüngst zurückliegenden Taliban-Zeit zu erinnern. Mit meiner Videokamera dokumentierte ich die Arbeit an der Szene.
Zurück in Berlin, schnitt ich gemeinsam mit Elfe Brandenburger aus dem Material den Kurzfilm The Making of a Demonstration. Der Film nimmt den Prozeß in den Blick, der notwendig ist, damit die Szenen im Spielfilm überzeugend wirken: das Üben der Laiendarstellerinnen, das Wiederholen einzelner Szenen, das Präparieren der Requisiten, das Warten – und schlußendlich auch die Ausbezahlung der Protagonistinnen. 2004 fuhr ich gemeinsam mit Elfe Brandenburger erneut nach Kabul. Wir wollten herauszufinden, was die Frauen bewegte, sich so kurz nach dem Sturz des Taliban-Regimes in großer Zahl an einer Demonstrationsszene gegen das Regime zu beteiligen – wenn auch durch die Burka maskiert. Welche Widerstandsformen von Frauen gegen das Taliban-Regime hat es gegeben, und welche Strategien wendeten sie aktuell an? Was waren ihre Motive, und welche Wirkung hatte das Spielen auf sie? Uns interessierten dabei auch die verschiedenen performativen Strategien im Alltag – von der politischen Arbeit bis hin zum Schauspiel. Überraschend war für uns im Gespräch mit den Darstellerinnen der Demonstrationsszene dann auch, dass sie hofften, dass diese Szene eine Wirkung auf ihre reale Situation haben würde. Denn viele hatten in der Szene mitgespielt, um Geld zu verdienen und suchten nach wie vor Arbeit.
GP: In Hinsicht der Reflektion Eurer eigenen Position innerhalb der Produktion arbeitet ihr sehr vorsichtig, indem Ihr sie mit der Politik und Macht von Repräsentation verknüpft. Wie seid Ihr damit umgegangen, dass es nie genug Zeit geben wird, ein Bild entsprechend der Realität in Kabul zu produzieren?
SS, EB: Zu Am Anfang unseres Films verweisen wir darauf, dass es sich bei Passing the Rainbow nicht um einen Film über Frauen in Afghanistan handelt. Wir machen damit deutlich, dass wir weder eine „objektive“ Erzählperspektive einnehmen, noch aus einer Gender-binären Perspektive sprechen – und wollen schon gar nicht ein generalisierendes Bild abgeben. Zudem werden wir uns nicht in den westlichen Viktimisierungs-Diskurs zu „Frauen und Afghanistan“ einreihen. In Passing the Rainbow gibt es verschiedene Strategien eine eindimensionale Lesart zu Gunsten von Multiperspektivität zu verlassen: die Protagonistinnen (die Ko-Produzentinnen sind und in verschiedenen Rollen auftauchen bzw. ihre Schauspielrollen kommentieren), das Sichtbarmachen der Produktionsbedingungen und unserer Einflussnahme auf den Film.
Um Schwierigkeiten einzelner Protagonistinnen nicht als individuelle Einzelschicksale vorzuführen, haben wir nach Rücksprache einige dieser Konflikte fiktionalisiert. Hierdurch öffnen sich Handlungsspielräume, in denen sich etwa durch das Spielen der Männerrollen ein Prozess der Aneignung und Verschiebung stattfindet: Einerseits findet so eine Reflexion von Geschlechterrollen statt, andererseits ergeben sich Handlungsmöglichkeiten, die spielerisch ausprobiert werden können und mittels derer sich etwa die Mädchentheatergruppe über bestehende Restriktionen hinwegsetzen kann.
GP: Passing the Rainbow basiert vor allem auch auf Kollaborationen zwischen Euch und Filmproduzentinnen in Kabul. Wie ist die Zusammenarbeit entstanden, wenn man bedenkt, dass Ihr ein verletzliches politisches Feld betreten würdet?
SS EB: Die Protagonist_innen eignen sich den Filmraum zu ihren Bedingungen an, um im Rahmen des Films an einem öffentlichen Sprechen teilzuhaben. Bei unseren Dreharbeiten agieren sie zugleich als Ko-Produzentinnen, die inhaltlich Szenen mit gestalten und immer wieder Teile der Regieführung übernehmen. Das wird an Stellen im Film sichtbar, wo wir die Produktionsbedingungen zeigen, unter denen der Film gedreht wurde. Am deutlichsten wird dies in der vorhin beschriebenen Vorbereitungsszene mit Aiqela Rezaie. An anderer Stelle greift die Übersetzerin Sakeena Habibzada in den Drehprozeß ein, indem sie mich vor Betreten des Lehrerinnenzimmers bittet, die Kamera auszuschalten; oder Malek_a besteht darauf, dass wir bei der Aufzeichnung des Gesprächs mit ihr nur den Ton aufnehmen.
2006 sind wir mit dem Rohschnitt erneut nach Kabul gefahren, um diesen gemeinsam mit den Beteiligten zu diskutieren. Von der Schauspielerin Breshna Bahar werden wir aufgefordert, eine Tanzszene mit ihr herauszunehmen, weil öffentliches Tanzen ins Besondere für Frauen als unschicklich gilt. Eine andere der Protagonistinnen, mittlerweile in eine sehr konservative Familie verheiratet, durfte nun gar nicht mehr in Filmen zu sehen sein. Da uns ihre Szenen sehr wichtig waren und wir sie nicht komplett herausschneiden wollten, entwickelten wir einen digitalen Effekt, der die Bewegungen der Figur nachvollzieht, die identifizierbare Mimik jedoch abstrahiert. Diese Rücksprachen und Änderungen waren notwendig, um den Film auch in Afghanistan zeigen zu können, ohne den Protagonistinnen in ihrem Alltag Schwierigkeiten zu bereiten.
Interview via email, Berlin, November 2009.
www.mazefilm.de
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> December 07, 2009
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