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komplexraum#7, Geliebte Unzulänglichkeit |
ESPACES COMPLEXES/KOMPLEXRAUM Für Komplexraum #7, wurde Antonia Low eingeladen. Sie lud wiederum Astrid Nippoldt ein.
Antonia Low dekonstruirt und konstruiert den Raum ähnlich einem Bildhauer. Sie nimmt bestimmte Teile des Raumes weg und fügt ihm damit einen Mehrwert zu. Wie ein Bildhauer seinen Klumpen Ton modelliert und in eine andere Form überführt, gibt sie durch ihre Handlung dem Ausstellungsraum eine, ihr eigene Textur - sie enthäutet den Withe Cube.
In dem Low die versteckten Strukturen der Elektrik entblößt, zeigt sie was man normalerweise nicht sieht: die Anatomie des Systems, eine Art konstruktivre Plünderung. Diese Enthüllung ist immer partiell und fragmentarisch. Ihre Sorge ist nicht ikonoklastisch, denn um von den Regeln der ästhetischen Objekte abzulenken ersetzt sie diese mit einer poetischen Semantik.
Dieser Mechanismus beschreibt den Titel der Ausstellung « Geliebte Unzulänglichkeit » für den sie uns zusammen mit Astrid Nippoldt in den „Komplexraum #7“ einlädt.
Der Begriff « Geliebte Unzulänglichkeit » wirkt schöpferisch, weil er Platz lässt für etwas werdendes, etwas Unvollkommenes. Ein Werk in Bewegung, das uns zur Partizipation einlädt.
Auch Astrid Nippoldt präzisiert diese Bewegung, jedoch mehr auf der Ebene von fragmentarischen menschlichen Erfahrungen und Experimenten. Ihr Interesse bezieht sich auf das Individuum, sie zeigt uns Ausschnitte von verschiedenen Alltagssituationen. Mit ihrem Film « my Day (jesse) » sind wir anwesend in der Anatomie eines Lebens: eine subjektive Kamera, platziert vor einem Fenster der Wohnung der Protagonisten. Der Blick ist panoramisch, doch zerhackt von Kabeln die den Bildschirm riffeln und dessen Frontalansicht versetzt uns zurück ins Innere des Raumes. Die Erzählung ist genau so nüchtern wie das Bild und diese Sachlichkeit findet man ebenso in der Installation « The Oakwood Expat Trailing Spouses », die eine Spannung oder einen Mangel erzeugt, auf den wir uns einlassen müssen.
Muss man mehr dazu sagen oder darüber hinaus interpretieren ohne der Unzulänglichkeit zu schaden!
Der Begriff "complexe" wird hier im etymologischen Wortsinn gebraucht als etwas, das in einer Folge von Verkettungen und Verschachtelungen miteinander verwoben ist.
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Espace Complexe / Komplexraum lautet der Titel einer Ausstellungsreihe, in der Kurator und Künstler ihre Beziehung auf experimentelle Weise hinterfragen.
Espace Complexe verweist auf das von Michail Bachtin1 formulierte und von Edgar Morin2 aufgegriffene Konzept der Dialogik: „Zwei miteinander vereinte Prinzipien, ohne dass deren Dualität verloren geht oder sie sich in dieser Einheit verlieren. […] Das Problem besteht darin, antagonistische Begriffe zusammenzuführen um den organisatorischen und kreativen Prozess zu entwickeln. Das Wort ‚komplex‘ ist hier im etymologischen Sinne zu verstehen, also von complexus, was so viel bedeutet wie zusammengeflochten sein, ein Geflecht (plexus) darstellend.“
Auf der Grundlage dieses Prinzips schlagen wir eine experimentelle Gestaltung des Ausstellungsprozesses vor, die sich besonders den Beziehungen Künstler / Kurator / Ort / Zeit widmet.
Jede Ausstellung besteht aus einzelnen Kapiteln oder Zeitabschnitten, deren Summe in der zeitlichen Diskontinuität als die Vorwegnahme einer Sammlung angesehen werden kann.
Für jedes Kapitel lädt der Kurator einen Künstler ein und dieser wiederum einen anderen Künstler, mit dem zusammen er ein Ausstellungskonzept entwickelt.
Der Kurator gibt lediglich den theoretischen Rahmen vor, eine Art Spielregel. Er vermeidet dadurch die Instrumentalisierung des Werkes und gewährleistet die Autonomie des theoretischen und ästhetischen Dialogs zwischen den Künstlern.
Dabei bewahrt er dennoch die Autonomie seiner Funktion. Diese besteht darin, durch die Auswahl der Kapitel und ihrer Reihenfolge ein kohärentes Ensemble entstehen zu lassen, das die Entstehung einer Sammlung vorwegnimmt.
Die Gestaltung der Ausstellung im Raum stellt schließlich die letzte Phase des Dialogs zwischen den Künstlern und dem Kurator dar.
Ein Kuratorische Projekt von Marie-josé Ourtilane
1. Mikhaïl M. Bakhtine, La poétique de Dostoïevki, Paris, Seuil, 1970.
(dt. Ausgabe : Probleme der Poetik Dostoevskijs, München 1971)
2. Edgar Morin, Introduction à la pensée complexe, Paris, Seuil, 2005
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> September 07, 2013
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