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À Rebours – Escapism and the Terror of the Sublime |
((english version))
// Eröffnung: Sa 25. März 2006, 19:00
// Dauer: 26.03. – 16.04.2006
// Öffnungszeiten: Do – So 16.00 – 19:00
Ausstellung zusammengestellt von Michael Schultze.
Cristina Gomez Barrio, Discoteca Flaming Star, Fanny Geisler, Michael Hofstetter, Angelika Middendorf, Berthold Reiß, Jan Rohlf, Stefan Schessl, Michael Schultze, Andreas Wutz, Hendrik Wittkopf
'A Novel without a Plot' war der Untertitel des 1884 erschienen Romans À Rebours (Gegen den Strich) des französischen Autors Joris-Karl Huysmans, der als Programmschrift des literarischen Dandyismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts gilt. Das Buch ist präzise Studie eines Eskapismus der Verfeinerung und Weltflucht – wie auch ein monströser Katalog des Geschmacks der Zeit. Huysmans dekadenter Held Des Esseintes begibt sich nach einem Leben der Ausschweifung in sein Landhaus, das er gänzlich nach außen abschirmt und in eine virtuelle Weltfluchtbox transformiert. Mit allen denkbaren künstlichen Stimuli und Preziosen dekoriert, bietet diese Eskapismushöhle dem Helden des Romans nun reichlich Gelegenheit über Verfeinerung, Geschmack und Kunst zu sinnieren. Einer inneren Logik folgend ist dies auch eine Geschichte des allmählichen Verfalls.
Die Ausstellung versucht dieser Weltflucht nachzuspüren. Im Eskapismus wird die Außenwelt substituiert, gleichsam ersetzt durch einen nachgeahmten und verfeinerten Mikrokosmos. Die versammelten Künstler verbindet in ihren sehr unterschiedlichen Positionen eine bestimmte Haltung: Nicht Introspektion, und auch kein dokumentarischer Blick auf Realität, sondern eine der Weltflucht zugewandte Perspektive und ein Spielen mit den Ersatzfunktionen der Kunst. Im Spannungsfeld zwischen einer Flucht aus der Welt und dem „Terror des Erhabenen“ arbeiten die beteiligten Künstler an einer Variante von Wirklichkeit, oder fliehen aus ihr.
Huysmans Roman dient der Ausstellung als ein Dispositiv, nicht als zu illustrierende Vorgabe. Er ist der Ausstellung als Erzählung vorangestellt; In seiner Genauigkeit, in dem die quasi buchhalterische Auflistung der Genüsse des Rückzugs der klaustrophoben Lust an der Regression gegenüberstehen, stellt der Roman einen Horizont bereit, der nicht selten im titelgebenden Terror des Erhabenen mündet. Die Verachtung des Banalen im Angesicht des 'Sublimen', eine der Vorraussetzungen der bei Huysmans geschilderten Weltflucht wird nicht gelindert durch den Ersatz der Welt mit einem eskapistischen Mikrokosmos. Wie und wo diese Disposition in der zeitgenössischen Kultur, die durch den ihr eigenen Narzismus strukturiert ist, einen Ort findet, ist eine der Fragen die sich die Ausstellung stellt.
Cristina Gomez-Barrios Zeichnungen sind hauchzarte Erkundungen von Landschaften weit außerhalb dieser Welt. Elefantenfriedhöfe und wie von Edgar Allen Poe geschilderte karstige Dünen, Archipele die Gordon Arthur Pyms Reisen nachspüren, schmale Panoramen einer Geographie des Zwischenreichs.
Discoteca Flaming Star sind "eine Rockband beziehungsweise eine Gruppe von Personen, die damit spielen, als Rockband zu spielen". In der Ausstellung ist die Arbeit "And Doubts and Exaggeration and Amnesia" zu sehen, ein schwarzes Banner mit aufgestickten Glasperlen die den Titel formen.
DFS dazu: "Die Banner sind zusammengeklebte Stoffbahnen, die nachträglich mit Text bemalt werden. Sie dienen als Hintergrundvorhang für viele der Performances, als räumliche Transformation innerhalb welcher Unordnungen in Worte gefasst werden können. Die Texte sind Referenzen, kryptische Gedanken, mit denen wir über Monate schwanger gehen. Gedanken über die künstlerische Tätigkeit, wie zum Beispiel 'innocence & mystery' sich auf Buñuels Filter für seine Filme bezieht. Sie stellen aber auch Konzepte dar, die das Verhältnis unserer Kunst zu den verschiedenen Ebenen der Alltagserfahrung von Künstlerinnen und Betrachterinnen reflektieren. Es sind Denkstoffe."
Fanny Geislers Bildfindungen gehen stets von der Mitte aus und entwickeln sich um ein zentrales Oval, beziehungsweise aus diesem heraus. Die geschlossene Form im Mittelpunkt der Bilder ließe sich je nach Vorliebe des Betrachters lesen als Archetyp, als Ei, als Kopf, als Alien, als Träne oder einfach als „Null“. Leerstelle bleibt das Oval auch zum Teil, sein Geheimnis, seine Bedeutung nie ganz preisgebend.
Die Arbeiten "Für Franziska" und "Für Franziska/Michael" von Michael
Hofstetter erzählen auf zweierlei Weise – einmal in seiner Latenz, einmal
als bildliche Realisation – von Welt als einer Spiegelung des Ichs. "Für
Franziska" ist eine totale Aufnahmeapparatur, die sich ein Mensch
"umschnallen" kann, um von vier Seiten belichtet zu werden. "Für
Franziska/Michael" zeigt das fotografische Ergebnis dieser Versuchsanordnung
am Beispiel des Künstlers selbst.
Auf der Suche nach radikaler Perfektion ist Angelika Middendorf. Bei einem Parabelflug der European Space Agency ESA ließ sie in absoluter Schwerelosigkeit den vollkommenen Wassertropfen erstellen, flüchtig und nur für einige Sekunden. In ihm spiegelt sich die umgebende Welt - ebenfalls schwerelos.
„...A THOUSAND AND ONE SEC. [IN_SPACE]“ reflektiert Welt(raum)entwürfe des vergangenen Jahrhunderts. Der Protagonist – ein Wassertropfen – schwebt durch einen unendlichen weißen Raum. Alle einhundert Sekunden blitzen Bilddokumente der Weltraumgeschichte auf, die akustisch durch Science-Fiction Textpassagen in
Referenz auf Kubrick’s Supercomputer HAL 9000 unterwandert werden.
Ein minimalistischer Basis-Sound navigiert durch die tausend Sekunden Reise
des Wassertropfens und der sich darin widerspiegelnden (Spaceshuttle)Welt.
Die Reise endet – vor Beginn der Zukunft – wieder am Anfang.
Berthold Reiß aquarelliert Szenen zwischen Fläche und Weltflucht: „Gegen den Ruhestand, den man sich einbildet aus Flucht und aus Müdigkeit, rebelliert man, solange man überhaupt eine Absicht verfolgt. Aus Absicht gewählt, ist Abgeschiedenheit selbst ein Extrem. Es ist nicht dekadent, wenn sich Kant in der Pflicht sieht, einen Beweis für die Existenz der Außenwelt zu erbringen. Anders als KünstlerInnen, die keine Gelegenheit vorbeilassen, die Nichtintentionalität ihrer Arbeiten zu betonen, sage ich, daß alle meine Arbeiten eine Absicht dokumentieren. Die Wasserfarbe fließt nicht nur, wie sie oder die Naturgesetze es wollen; sie füllt und umgrenzt Konstruktionen, die das, was sie sind, auch sein sollen. Und wenn die Aquarelle mehr sind, als ich beabsichtigt habe, dann ist eben eine andere Absicht am Werk.“
Licht und Oberflächenbeschaffenheit sind zentrale Elemente in den Objekten und Installationen von Jan Rohlf. Seine Zeichnungen kreieren enigmatische, dunkle Sound-Traumwelten. In der Anmutung zwischen Aubrey Beardsley und Death-Metal Plattencovern evozieren seine Arbeiten einen zeitgenössischen Eskapismus der gespeist ist von Populärkultur und der schwarzen Romantik.
Stefan Schessls Bilder und Zeichnungen versperren den Blick, ihre zerschabten und kratzenden Oberflächen künden von einer großen Sehnsucht nach Widerständigkeit und Sublimität. Hier geht es nicht um die Welt, nicht einmal mehr um eine Flucht aus dieser. In dieser Selbstgenügsamkeit sind die Arbeiten Zeugen einer Kunst die, wie Lyotard einmal feststellte, Versuche sind, das Nichtdarstellbare darzustellen: "stammelnde Mikroligien, die einander außer Atem bringen".
In einer Arbeit von Michael Schultze werden ein paar abgebrannte Streichölzer zussammengelegt die das Wort "FIN" formen. Blumen rotieren langsam um ihre eigene Achse und manchmal liegen Düfte in der Luft wenn ein Lied spielt. Dem allem gemein ist der manchmal trotzige Versuch ein Gewicht zu erzeugen ohne schwer zu sein.
Die fotografischen und filmischen Arbeiten von Andreas Wutz zeigen einfache, unspektakuläre Orte, Situationen, Bewegungen, Handlungen, die durch Lichtbestimmung, Ausschnitt, Geschwindigkeit, Montage in einer Art Schwebezustand erscheinen. Observatorium ist ein Filmloop, der zwei Sehnsüchte der Ferne miteinander verbindet. Er zeigt einen leeren Himmel, in den sich zuerst die Kuppel eines Observatoriums und danach eine Reihe von Passagieren eines Lunaparks erheben. Die Konstruktion des Films entspricht einer Realität. Das
Observatorium und der Lunapark stehen in Nachbarschaft auf dem Berg Tibitabo
und lenken die Blicke in den Himmel über Barcelona.
Hendrik Wittkopfs sublime Gemälde in Acryl zeigen eine flüchtige Figuration. Durch die Erfahrung längerer Aufenthalte in Kalkutta bezieht er sich auf Menschen an der Peripherie. In den Bildern blitzt die Welt durch einen vielfarbigen Vorhang. Die Menschen in ihnen scheinen in einem Moment gefangen zu sein, dessen sozialer Raum dem malerischen in einer Art gegenübergesetzt wird, die gleichsam banal und erhaben ist.
/// english version ///
// Opening: Sat March 25, 2006, 7 pm
// Runtime: 26.03. – 16.04.2006
// Opening times: Thu – Sun 4 – 7 pm
Exhibition curated by Michael Schultze.
Cristina Gomez Barrio, Discoteca Flaming Star, Fanny Geisler, Michael Hofstetter, Angelika Middendorf, Berthold Reiß, Jan Rohlf, Stefan Schessl, Michael Schultze, Andreas Wutz, Hendrik Wittkopf
"A Novel without a Plot" was the subtitle of À Rebours, a novel by the French-Dutch author Joris-Karl Huysmans, which was published in 1884 and represents the manifesto of literary Dandyism so characteristic of the late 19th century. The novel is a detailed study of an escapism based on refinement and at the same time emphasizes a weary asceticism, as well as cataloguing the taste of the time.
The plot shows Huysmans’ exhausted hero Des Esseintes settling in his country home after a life of debauchment, where he secludes himself in a virtual escapist box. Provided with artificial stimuli and selected artifacts, this cave-like environment offers plenty of opportunity to contemplate refinement, taste and art. Following its inner logic, this is a story of gradual and inevitable decay.
Huysmans’ novel works as a kind of compass to map the exhibition, which elaborates a worldview that requires art as a means to experience the world while simultaneously keeping it at a distance.
This exhibition traces such Weltflucht as a position wherein reality is replaced by a simulated and refined world. The artists present a range of approaches and but nevertheless share a specific approach, which is best characterized not through introspection, of a focus on the world, but an orientation towards escapism and the possibilities of art as a surrogate.
Á Rebours illuminates the relationship between escapisms escape from the world and the "terror of sublime". Huysmans’ book exemplifies the contempt for the banal in the face of the “sublime”, while simultaneously exemplifying that the banal is implied in the fascination with the sublime. Perhaps this is the allure of an escapism, which also always presents the possibility of an another, very different world?
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> March 25, 2006
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