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BBB #1 - BerlinBelgradBrücke |
// Ausstellung: 31. August / 1. September 2013, 14-19 Uhr
// Eröffnung: Freitag, 30. August 2013, ab 19 Uhr
// Goran Micevski, Ivan Petrović, Slobodan Stošić, Saša Tkačenko
// Eine Ausstellung im Rahmen der Serbinale
// Kuratiert von Erik Herkrath
English version below
Die Ausstellung BerlinBelgradBrücke ist Teil des Kulturfestivals Serbinale und soll in loser Folge einen sinnbildlichen kulturellen Brückenschlag zwischen den beiden Städten bilden. Dabei werden die Themen jeder Ausstellung frei gewählt. Die Ausstellungsorte wechseln zwischen Berlin und Belgrad.
Thema der ersten Ausgabe in Berlin ist die kulturelle Situation in Serbien. In den 1970er und 80er Jahren war Belgrad ein Zentrum der zeitgenössischen Kunst, in dem die künstlerische Avantgarde zuhause war. Mit dem jugoslawischen Bürgerkrieg wurde dem ein jähes Ende gesetzt.
Die heutige Situation stellt sich düster dar. Mehrere Museen, darunter das Nationalmuseum und das Museum für zeitgenössische Kunst in Belgrad sind seit Jahren wegen Renovierung geschlossen. Der aktuelle Etat für das Nationalmuseum wurde nach einer Budget-Rebalancierung auf Null gekürzt. Kommerzielle Galerien sind Mangelware, ebenso Kunst- und Projekträume. Im Juni diesen Jahres wurde von Kulturschaffenden aller Couleur ein Aufruf zum Protest gegen die aktuelle Kulturpolitik gestartet. Dieser vermisste jedoch aktive und konstruktive Änderungs- und Gestaltungsideen und bestand größtenteils aus leeren Forderungen.
Wie positioniert sich die neue Künstlergeneration in so einem Land, wie geht sie mit diesen Verhältnissen um? Die Ausstellung zeigt vier künstlerische Positionen aus Serbien, die sich aktiv mit diesen Umständen auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene auseinandersetzen.
Saša Tkačenkos (*1979 in Majdanpek, Serbien) Videoarbeit Perfect Ride entstand ursprünglich für die Ausstellung What happened to the Museum of Contemporary Art?, die in dem seit Jahren geschlossenen Museum stattfand. Es ist eine Hommage an die großartige Architektur der 1960er Jahre von Ivan Antić. Die Szenerie wirkt gespenstisch und stimmt traurig: In dieser Kathedrale der Moderne wird keine Kunst gezeigt wird, stattdessen fährt ein Skateboarder durch die leeren Räume. Eine weitere Arbeit entstand im ebenfalls geschlossenen Nationalmuseum in Belgrad. Angelegt als Kollaboration mit fünf serbischen Fotografen installierte Saša Tkačenko die Leuchtschrift Is this real life und ließ sie nur durch die fotografische Dokumentation bestehen. Niemand außer den Beteiligten bekam die wirkliche Arbeit zu sehen. Eine provokante Geste, um die für Künstler unerträgliche Situation zu verdeutlichen. www.sasatkacenko.com
Für die Werkgruppe Garden Houses nahm Goran Micevski (*1977 in Belgrad) die Intentionen von Bernd und Hilla Becher als Ausgangspunkt einer Dokumentation wilder Architekturen in den Außenbezirken serbischer Großstädte. So stehen diese Fotografien einerseits als Dokumentation von vielleicht bald nicht mehr existierenden Bauten, anderseits malen sie das Bild einer Kultur, die aus Fundstücken improvisierte rudimentäre Behausungen baut. Ob diese wilde Ästhetik an Verarmung liegt oder an einer Gesellschaft, die sich eher um das Praktische kümmert, bleibt offen. goranmicevski.wordpress.com
Slobodan Stošić (*1989 in Novi Sad, Serbien) geht direkt die Frage des Umgangs mit Kunst und kulturellen Institutionen an. Seine Installation Usefulness beschäftigt sich mit der Präsenz und Akzeptanz von Museen in Serbien. Angelehnt an eine Ausstellung im Museum für zeitgenössische Kunst in Novi Sad, bei der Slobodan Stošić die dortige schlechte Ausstellungssituation thematisierte, entwickelte er für BBB #1 eine neue Arbeit, die sich um den starren, festgefahrenen Zustand der kulturellen Situation dreht: Ein fiktives Museum mit einem Kurator der einfach nur dasteht und nichts tun kann oder will. slobodanstosic.tumblr.com
Die Fotografien von Ivan Petrović (*1973 in Kruševac, Serbien) sind meisterhafte zeitgenössische Kompositionen, die häufig das gesellschaftliche Leben in Serbien dokumentieren. In der offenen Werkgruppe Night Promenade werden Menschen portraitiert, die sich für das abendliche Ausgehen aufgehübscht haben und in den Straßen serbischer Kleinstädte auf und ab promenieren. Ein sehr alltägliches und weit verbreitetes Phänomen in Serbien. Gallery und Museum Guide zeigt Ausstellungseröffnungen in serbischen Museen und Kunsträumen. Man sieht hier nicht die Grandezza von Vernissagen etablierter Museen, sondern eine Mischung aus vernachlässigten Bauten der Nachkriegsmoderne und einer neuen Generation Kunstinteressierter, die ähnlich zu Berlin die Leerstände nutzen, um dort Ausstellungen zu organisieren. Ivan Petrović äußert sich dazu recht desillusioniert: Paradox is that the opening of an exhibition doesn’t mean the beginning of new meaning of an artistic idea which the works could bring, but it’s "the end". ivanpetrovic.wordpress.com
Die verkrusteten Strukturen, teilweise noch aus der Zeit Jugoslawiens, teilweise aus der nationalistischen Bürgerkriegszeit, scheinen noch immer ein Problem in Serbien zu sein und stellen die Politik vor eine schwierige Aufgabe. So sieht das Kulturministerium zwar die Notwendigkeit einer Anpassung an demokratische, zeitgenössische Strukturen, rechtfertigt sich aber gleichzeitig mit dem schwierigen und langsamen Weg des Richtungswechsels in den einzelnen Institutionen und verweisen auf eine utopische Zukunft. Das erinnert an die klassische sozialistische Utopie, die wohl noch immer – auch im Ministerium – umherspukt. In einer Publikation des Ministeriums liest sich das folgendermaßen:
The most common problem in communication with culture professionals is their archaic perception of culture as something sublime and untouchable and romantic image of artists’ and cultural institutions’ mission. This attitude is not necessarily shared by the Ministry. [...] Unfortunately, experience shows that change of mind and consequently an institution’s activities, usually occurs very slowly. However, there are successful examples that show the vitality of these institutions, through intensified cooperation (not only related to financing) and Ministry’s insisting on clearly defined criteria of this cooperation. The MCMIS does not have the interest to support outdated projects, but it is also aware that the desired result is not always gained by rejecting them. Because of this the Ministry insists not only on financial support, but also on establishment of a long term, strategic cooperation.
Fakt scheint zu sein, dass eine Sensibilisierung für die Bedeutung der Kunst, insbesondere der zeitgenössischen, in der Bevölkerung und auch in den Institutionen und der Politik wesentlich vorangetrieben werden muss. Die Abstinenz eines lokalen Kunstmarktes zeugt zudem von einer Ignoranz in der Bevölkerung, die sich eher mit handfesten Statussymbolen wie Autos und Designermode schmückt. Die Ansichten über die zeitgenössische Kunstszene sind zweigeteilt:
Some representatives of the galleries believe that the scene is rich, diversified, active, vital, that it does not lack enthusiasm, while others stress that there are no great changes, names and phenomena, that there are too many works of average quality, apathy among the artists and curators, frequent discrepancies which due to financial limitations occur between good idea and realization of medium quality.
Positiv zu vermerken sind die Aktivitäten von verschiedenen Gruppen und Vereinigungen, die sich um eine Verbesserung der Situation bemühen, darunter Anonymous said - www.anonymoussaid.org Artist as Audience - razgovori.wordpress.com
Es bleibt zu hoffen, dass in einem Land mit einer so bewegten neueren Geschichte, die neue Generation von Künstlern nicht den Mut und die Energie verliert, an die Öffentlichkeit zu gelangen. Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern, die trotz ihrer schwierigen Lage mit wenigen Mitteln relevante Kunst schaffen. Es bedarf einer guten Idee, nicht unbedingt einer teuren Umsetzung.
Kuratiert von Erik Herkrath Mehr Infos zur Serbinale unter www.serbinale.org oder direkt bei Anna Lederle lederle(at)serbinale.org
BBB #1 – BerlinBelgradeBridge
Opening: Friday, 30 August 2013, 7pm
Exhibition: 31 August / 1 September 2013, 2-7pm
Venue: General Public, Schönhauser Allee 167c, 10435 Berlin
Goran Micevski (*1977 in Belgrade)
Ivan Petrović (*1973 in Kruševac)
Slobodan Stošić (*1989 in Novi Sad)
Saša Tkačenko (*1979 in Majdanpek)
The exhibition BerlinBelgradeBridge is a part of the cultural festival Serbinale and spans in loose sequence a metaphorical bridge between the two cities. The topics of each exhibition are freely chosen. The exhibition venues alternate between Berlin and Belgrade.
The theme of the first part in Berlin is the cultural situation in Serbia. In the 1970s and 80s Belgrade was a centre of contemporary art, in which the artistic avantgarde was at home. With the Yugoslavian civil war it came to an abrupt end.
Today, the situation is distressing. Museums like the Museum of Contemporary Art in Belgrade and the National Museum are closed for years now due to renovation.[1] However the current budget for the National Museum was cut down to zero. Commercial galleries and art- and project spaces are scarce. In June this year cultural workers from all fields started a protest against the recent cultural policy.[2] But the protest lacked constructive ideas for change and consisted mostly of empty claims.
How does the new generation of artists position themselves in such a country, how does it cope with these circumstances? The exhibition presents four artistic positions from Serbia, which deal with these circumstances on a social and cultural level.
Saša Tkačenko’s (*1979 in Majdanpek, Serbia) video work Perfect Ride was originally created for the exhibition What happened to the Museum of Contemporary Art?, which took place in the closed museum itself. It pays homage to the great architecture of the 1960s by Ivan Antić. The scenery appears spooky and is saddening: in this cathedral of Modernism no art is presented, instead a skateboarder is cruising through the empty rooms. Another work was created in the likewise closed National Museum in Belgrade. Developed as a collaboration with five Serbian photographers, Saša Tkačenko installed the fluorescent letters Is this real life inside the museum. Nobody, except the persons involved got to see the real work itself, it just exists as a photographic documentation. A provoking gesture to underline the unbearable situation for artists in Serbia.
For the group of works entitled Garden Houses Goran Micevski (*1977 in Belgrade) took the artistic intentions of Bernd and Hilla Becher as a starting point for a documentation of wild architectures in the suburban areas of Serbia. On the one hand these photographs stand as a documentation of buildings that may vanish one day and on the other hand they evoke an image of a culture, which builds improvised rudimental structures out of simple found items. The question whether this wild aesthetic is based on pauperization or on a society that has a bigger focus on practical things is left open.
Slobodan Stošić (*1989 in Novi Sad, Serbia) questions the treatment of art and cultural institutions in a direct way. His installation Usefulness deals with the presence and acceptance of museums in Serbia. Following a previous work, presented in the Museum of Contemporary Art in Novi Sad, in which Slobodan Stošić brought up the topic of the poor circumstances for exhibitions in general, he developed for BBB #1 a new work, which deals with the inalterable condition of the cultural situation: A fictional museum with a curator, who just stands still and isn’t able to or doesn’t want to do anything.
The photographs by Ivan Petrović (*1973 in Kruševac, Serbia) are virtuoso contemporary compositions, which often document the social life in Serbia. The ongoing series Night Promenade portrays people, who dress up to stroll up and down the main streets and squares of Serbian small towns, a frequent spectacle in Serbia. Gallery und Museum Guide shows exhibition openings in Serbian museums and art spaces. You don’t see the Grandeur of vernissages of established museums; instead you see a mix of neglected buildings from Post-War Modernism and a new generation of art folks, similarly to Berlin use vacant spaces to organize exhibitions. Ivan Petrović’s view on this is quite disillusioned: Paradox is that the opening of an exhibition doesn’t mean the beginning of new meaning of an artistic idea, which the works could bring, but it’s „the end“.
The ossified structures, partly from former Yugoslavia, partly from the nationalistic times of civil war, still appears to be a problem in Serbia and challenges politicians with a difficult task. The ministry of culture sees the necessity to adapt to democratic contemporary structures, but justifies itself at the same time with the difficult and slow way for change in institutions and points to an utopian future. This reminds of the classic socialistic utopia, which still seems to haunt the ministry. In a publication by the ministry it reads:
The most common problem in communication with culture professionals is their archaic perception of culture as something sublime and untouchable and romantic image of artists’ and cultural institutions’ mission. This attitude is not necessarily shared by the Ministry. [...] Unfortunately, experience shows that change of mind and consequently an institution’s activities, usually occurs very slowly. However, there are successful examples that show the vitality of these institutions, through intensified cooperation (not only related to financing) and Ministry’s insisting on clearly defined criteria of this cooperation. The MCMIS does not have the interest to support outdated projects, but it is also aware that the desired result is not always gained by rejecting them. Because of this the Ministry insists not only on financial support, but also on establishment of a long term, strategic cooperation.[3]
There seems to be a great need for raising awareness for the importance of art, especially contemporary art, among the general population and also inside institutions and politics.
The absence of a local art market shows furthermore the ignorance of the population, who rather decorate themselves with concrete status symbols like big cars or designer fashion. The points of view about the contemporary art scene are split:
Some representatives of the galleries believe that the scene is rich, diversified, active, vital, that it does not lack enthusiasm, while others stress that there are no great changes, names and phenomena, that there are too many works of average quality, apathy among the artists and curators, frequent discrepancies which due to financial limitations occur between good idea and realization of medium quality.[4]
A positive aspect worth mentioning are the activities of different groups and associations, which endeavour to improve the situation, including
Anonymous said - www.anonymoussaid.org
Artist as Audience - razgovori.wordpress.com
Hope remains that in a country with such a turbulent history, the new generation of artists doesn’t lose the courage and energy to reach the public. There is a great deal of artists who create relevant art in spite of their difficult situation and lack of resources. It requires a good idea, but not necessarily an expensive realisation.
Curated by Erik Herkrath
For more info on Serbinale see www.serbinale.org
or email Anna Lederle lederle@serbinale.org
[1] Western Balkans: regional art market, and not a fiction?, Belgrad, 2012 , p. 72 www.anonymoussaid.org/pdf/utEng.pdf
[2] See art-leaks.org/2013/06/23/artists-and-cultural-workers-stage-massive-protests-in-serbia/
[3] Dimitrije Tadić, Galleries and Exhibition Venues of Contemporary Visual Art in Serbia Instruments of Support of the Ministry of Culture, Media and Information Society, Republic of Serbia, 2003 – 2011, Belgrade 2012, p. 73
see www.anonymoussaid.org/pdf/Galerije.pdf
[4] ibid. p. 101
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